Kapitel 3

Veröffentlicht auf von Jacqueline

Zu Hause angekommen, fielen wir meiner Mama um den Hals und wollten alles ganz genau wissen. Sie sah deutlich blasser als sonst aus und ihr Blick ging oft ins Leere. Sie brachte uns auf den neuesten Stand und zeigte uns ein paar Bilder aus der aktuell aufgenommenen Magnetresonanztherapie (MRT). Auf den Bildern war deutlich erkennbar, dass in ihrer rechten Hirnhälfte ein Hühnerei großes Gebilde entstanden war. Der Tumor setzte sich gräulich im Vergleich zu der übrigen dunkleren Hirnmasse auf den Bildern ab. Ein komischer Anblick. Und auch eine komische Vorstellung, dass etwas Fremdes im eigenen Kopf wächst. Wo wir wieder dabei wären, dass Krebs ein Zellgebilde ist, was immer weiter wächst, sich vergrößern und auch Metastasen, also kleinere Zellhaufen in anderen Körperregionen bilden kann. Also besteht Krebs aus lebenden Zellen. Eine völlig absurde und grässliche Vorstellung, so etwas irgendwo im Körper zu haben, ohne dass man es selbst merkt oder etwas gegen die Entstehung tun kann. Mamas Tumor lag also in der rechten Hirnhälfte, zum Glück sehr weit außen an der Schädeldecke, sodass es gut entfernt werden konnte. Genau dieser Schritt erfolgte schon eine Woche später in dem Krankenhaus, in das Mama nach ihrem ersten Anfall eingeliefert wurde. Eine Operation am Gehirn ist leider immer mit vielerlei Risiken verbunden. Denn das Gehirn ist ein so komplexes und vielschichtiges Organ, das am Tag tausende Eindrücke und Informationen von uns verarbeiten muss. Dementsprechend kann viel kaputt und schief gehen bei einer Operation wie dieser. Und auch die Tumoren selber können allein durch ihre Anwesenheit viel zerstören. Noch einleuchtender wird also wiederum, warum auch ein gutartiger Tumor im Gehirn nach Möglichkeit entfernt werden sollte. Obwohl sich gut- und bösartige Tumore in vielerweise unterscheiden. Gutartige Tumore, egal wo sie sich gebildet haben, kapseln sich förmlich ab bzw. selbst ein, greifen also die umliegenden Zellen und Organe nicht an. Sie bilden ebenfalls keine Metastasen und wachsen im Vergleich zu bösartigen relativ langsam. Die bösartigen Tumore hingegen können langsam aber auch schnell wachsen. Sie unterscheiden sich zu den gutartigen Tumoren allerdings darin, dass sie ihr umliegendes Gewebe und Zellen angreifen und dieses zerstören. Sie haben das Ziel sich schnellstmöglich zu vergrößern und zu verbreiten und nutzen dafür die Bildung von Metastasen. Dies sind ebenfalls Zellgebilde, also kleinere Tumore, die meistens durch die Blutbahnen an andere Stellen im Körper gelangen und dort wachsen und alles in ihrer Umgebung zerstören. Man spricht also von einem Primärtumor, der der als erstes da war und die kleineren Tumore, also Metastasen gebildet hat. Allerdings kann man das Ganze nicht unbedingt verallgemeinern, da es bei jeder Krebserkrankung anders verlaufen kann. Bei Mamas Hirntumor war es auch anders. Ihr Tumor war ei sogenanntes „Glioblastom“. Ein sehr aggressiver, schnellwachsender und schwer zu bekämpfender Tumor. Für den Nichtmediziner ist es vollgendermaßen zu erklären. Das „Glioblastom“ hat seinen Namen von den Hirnwachstumszellen, den Gliazellen, welche im Gehirn z.B. für den Stoff- und Flüssigkeitstransport verantwortlich sind. Das „Glioblastom“ hat also sein Hauptaugenmerk auf diese Zellen gelegt, um zu verhindern, dass sich das Gehirn gegen den unerwünschten Besucher wehren kann. Vereinfacht kann man sagen, dass dieser Tumor das Hirnwachstum auf Dauer gesehen stoppt und das Gehirn daran kaputt gehen wird. Was wiederum heißt, dass der erkrankte Mensch diesen Kampf wohl oder übel nicht überleben wird, bzw. sein Gehirn nach gewisser Zeit von dem Tumor zerstört wird. Doch soweit waren wir noch gar nicht in unserem Gedankengang. Für uns und für Mama stand ihre erste Operation im Vordergrund. Ein mehrstündiger Eingriff, bei dem versucht werden sollte, sämtliches betroffenes Hirngewebe zu entfernen. Ein Arzt erklärte mir auf die Frage hin, wie ich mir einen Tumor bildlich vorstellen könne, dass das gesunde Gehirn eine gelbliche Wackelpudding artige Zusammensetzung hat. Und das Gewebe, was durch den Krebs zerstört wurde, sieht gräulich aus. Eine Beschreibung, die meine Antipathie gegenüber dem Tumor nur noch mehr vertieft hat. Nein, ich habe seitdem verständlicherweise keinen gelben oder andersfarbigen Wackelpudding mehr gegessen oder auch nur angesehen. Mamas Operation am Gehirn dauerte knapp 7 Stunden. Sieben Stunden in denen Papa und ich jede Minute zählten. Sieben Stunden in denen ich in der Schule und Papa bei der Arbeit war und wir auf einen gottverdammten, erlösenden Anruf vom behandelnden Arzt warteten, dass alles gut verlaufen sei. Irgendwann kam auch dieser sehnlichst herbei gewünscht Anruf und wir fuhren sofort ins Krankenhaus um Mama zu sehen.

Kapitel 3
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